"Wer die Goldies nicht im Kulturzelt gesehen hat, hat sie nie gesehen." Oder so
ähnlich.
Schorsch Kamerun, 2009, in einer
deutschen Stadt - Zitat leicht
abgewandelt (Anm. d. Red.).
Ja. Über die Goldies zu behaupten, sie hätten Geschichte geschrieben, wäre
eine ziemliche Unverfrorenheit, weil ihnen implizit damit unterstellt würde, sie
hätten das bereits eingestellt, Geschichte zu schreiben. Sie sind durch die
Geschichte gegangen, das ließe sich behaupten.
Alles begann im Jahre 1984,
als die Band schlagartig mit schlagerartigen Songs auf eine Hamburger Bühne
sprang und begann, sich ohne Plattenvertrag durch den Dschungel zu
schlagen, der das Musikbusiness ist. Unabhängigkeit und unbedingter Humor -
für die 80er in der BRD wesentliche Zutaten, um auf sich aufmerksam zu
machen - drehen bis heute den roten Faden, den die Band immer weiter spinnt
und dabei musikalisch immer wieder nach Updates, experimentellen Settings
und diskursiver Praxis forscht.
Ein Zufall ist es sicher nicht, dass Schorsch
Kamerun (zusammen übrigens mit PC Nackt - Produzent unter anderem von
José Gonzales String Theory) die Grenzen des performativen Musik-Theaters
frech und neu vermisst und Ted Gaier über das selbe Medium bspw. mit
Gintersdorfer/Klaßen postkoloniale Strukturen aufreißt und sichtbar macht.
Porsche, Genscher, Hallo HSV (1987), Kampfstern Mallorca dockt an (1988) -
Plattennamen, die dem heiligen Ernst sofort den Gar ausmachen und trotzdem
oder gerade deshalb Veränderung provozieren oder einfach einen neuen Blick
auf die Gegenwart des Politischen, Sozialen oder Kulturellen eröffnen, führen
über Lenin (2006) oder Die Entstehung der Nacht (2009) hin zu ihrem
aktuellen Longplayer More than a feeling.
Man denkt vielleicht unmittelbar an
die gefühligen Bombast-Hard-Rocker der Gruppe Boston und den Superhit
ihres selbstbetitelten Debütalbums. Doch hat sich die Nadel auf die Rille
gesenkt - oder wurde das Audiofile angeklickt - ist es mit dem emotionalen
Eingeschmiere sofort vorbei. Mehr als ein Gefühl hinterlässt diese Scheibe,
denn sie ist immer noch eine Punk-Platte, die scharf und komisch auf
Konfrontationskurs mit Rechts, Links und anderen Sicherheiten surft.
Mit drei
geschrubbten Akkorden hat dieser Punk natürlich nichts zu tun. Arbeitsteilung
im Sinne des Hip Hop ist eher das Prinzip und nicht umsonst verweist der
Beipackzettel der Plattenfirma Buback auf Kendrick Lamar und DAF, Acid und
Ernst Busch oder Berthold Brecht, um eine ungefähre Vorstellung von dem zu
vermitteln, was die Band hier abbrennt. Also, Vorhang auf für das Feuer und
die Spottgesänge der Goldies.
P.S. Das Zitat von Schorsch Kamerun wurde unverschämter Weise gefälscht.
Es lautete 2009 wie folgt: "Wer die Glodies nicht im Ratinger Hof gesehen hat,
hat sie nie gesehen." Leider gibt es den Ratinger Hof in Düsseldorf, einer der
wichtigsten Spots deutscher Musikgeschichte der späten 70er und 80er Jahre,
heute nicht mehr. Wenn man die Goldies also gesehen haben will, komme man
doch bitte ins Kulturzelt Kassel. Entschuldigen Sie bitte die Manipulation aus
Verzweiflung, Herr Kamerun.